Der
Gemeinnütziger Verein zur Förderung der
morpho-physio-logischen Therapie von Menschen mit
Lippen-Kiefer-Gaumen-Nasen-Rachenfehlbildungen
veranstaltete am
18. und 19. September 2008
ein Symposium zu Ehren von
Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Rosenthal
08.09.1882 – 10.06.1971 und der
„Morpho-Physio-Logische Habilitation
der Menschen mit Lippen-, Kiefer-, Gaumen-, Nasen-Fehlbildungen“
Musikalische Darbietungen von Schülern der Wolfgang-Rosenthal-Schule unter Leitung ihrer Lehrerin Frau Müller eröffnen das Symposium.
Um 9:15 Uhr begrüßt Prof. Josef Koch über 200 Fachkolleginnen und –kollegen, ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Freunde der Wolfgang-Rosenthal-Klinik aus dem In- und Ausland.
„Wenn man hervorheben will, wodurch der Mensch sich von allen anderen Wesen unterscheidet, so sind sein Angesicht und die Gabe der Sprache zu nennen. Um beides in Erscheinung treten zu lassen, ist ein wunderbarer embryonaler Entwicklungsgang zu durchlaufen. Durch Störungen können
LKG-Fehlbildungen entstehen. Therapeutisch liegt es nahe, diese aufzusuchen und nach biologischen Gesetzen bis zu einem der Norm nahe kommenden Ende zu korrigieren.“, sagte Rosenthal 1935 auf dem internationalen Zahnärztekongress in Bologna. Er forderte eine weit reichende interdisziplinäre
Zusammenarbeit, um bei den Betroffenen physiologische Funktionen und Formen dem Normalen möglichst weit anzunähern.
1943 legte er im Jagdschloss Thallwitz den Grundstein für die „Klinik für plastische und wiederherstellende Kiefer- und Gesichtschirurgie“, dem ersten Rehabiltitationszentrum für LKGN-Fehlbildungen in Deutschland.
1994 wurde die Klinik abgewickelt und von der medizinischen Fakultät der Leipziger Universität übernommen. Mit der Verwirklichung der von Rosenthal erarbeiteten Leitlinie befassen sich interdisziplinär tätige Therapeutinnen und
Therapeuten. Die Beiträge des Symposiums vermitteln aktuelle Erkenntnisse aus Forschung und Praxis, die auf eine optimale Morpho-Physio-Logische Habilitation ausgerichtet sind, wie sie von Thallwitz und Herborn aus in Deutschland als auch in der Schweiz weiterentwickelt wurde.
Anschließend begrüßt Prof. Jochen Prein aus Davos, Schweiz, als Schirmherr des Symposiums die Teilnehmer.
Bürgermeiseter Kurt Schwuchow freut sich, dass Thallwitz mit dem Rosenthal-Symposium bundesweite Beachtung gefunden hat. Mit der Rückblende auf Leben und Wirken des Klinikgründers wird eine Zeit reflektiert, als in Thallwitz Medizingeschichte geschrieben wurde.
Die wissenschafltichen Beiträge beginnt Prof. Koch mit dem Grundlagenvortrag über Embryologie, Vakuum und Dokumentation.ormale embryologische und fetale Entwicklung findet im Vakuum statt. Nach der Geburt wird der Unterdruck durch ventilartigen Abschluss der Mund-, Nasen- und Rachenhöhlen voneinander gesichert. Fehlbildungen heben in Abhängigkeit von ihrer Ausbildung diese Möglichkeiten auf. Deshalb müssen die verschiedenen Fehlbildungsformen genau untersucht und jederzeit reproduzierbar dokumentiert werden.
Prof. Berger berichtet über das Ansatzrohr als variabler Resonator des Sprachorgans.
Prof. Kuttenberger berichtet über Untersuchungsergebnisse zur Bedeutung der psycho-sozialen Beratung der Eltern, die er mit dem früheren Thallwitzer Oberarzt, Klaus Honigmann (1943 – 2003), in Basel augewertet hat.
Die folgende Kaffeepause gab Gelegenheit zur Ausgabe von Teilnahmebescheinigungen durch Frau Konstanze Dreicher, frühere leitende OP-Schwester und Frau Lenker ...
und zur Besichtigung der von Schülern der Wolfgang-Rosenthal-Schule gestalteten Pinnwände über dessen Leben und Werk.
Die Wolfgang-Rosenthal-Gesellschaft Deutschland war mit einem Stand zur Selbsthilfe der Betroffenen und ihrer Eltern vertreten.
Anschließend berichtet Dr. Hubertus Koch über die primäre chirurgische Habilitation.
Fehlbildungen des Gesichtsschädels, wie Lippen-, Kiefer-, Gaumen-, Nasen- und Rachenspalten sind u. a. die Ursache für Atem-, Schluck-, Sprech-, Hör-, Wachstums- und psycho-soziale Entwicklungsstörungen; Häufigkeit: zwei LKGNR auf 1000 Geburten. Der Gesetzgeber anerkennt die Schwere mit Grad 100 und Nachteilsausgleich (GdB).
Fehlerhafte Formen und Strukturen verstärken und festigen die fetale Ventilation-, Wachstum- und die Funktionsstörungen solange, bis Mund-, Nasen-, Rachen- und Paukenhöhlen mit ihren dynamischen, feinen Regulationsmechanismen struktur- und zeitgerecht gebildet sind. Verpasste Zeiträume, morphologisch nicht korrekte bzw. unterlassene Operationen bis zum zweiten Lebensjahr determinieren Irreversibilität, d. h. die ehedem vorhandene Fähigkeit zur Reorganisation schließt sich, so dass frühpädagogische Behandlungsmaßnhamen nur von begrenztem Erfolg sein können.
Da Atmen, Schlucken, Hören und Sprechen für die normale Entwicklung und soziale Teilhabe vorrangig sind, sollten Atem-, Nahrungs- und Sprachrohr, d. h. die innere Nase, mit Septum, Vomer Alveolarfortsatz, Gaumenblock sowie Rachen und Segel in einer ersten Operationskombination, ab 6. Lebensmonat, verschlossen werden. Nach Stabilisierung der Atem-, Zungen-, Hör- und Sprechfunktion wird in einer zweiten Operationskombination das sozial und funktionell wichtige Angesicht, 8 – 12 Wochen später, gebildet. Zwei Operationen im ersten Lebensjahr vermeiden unnötige Narbenbildungen und ermöglichen eine sinnvolle Frühförderung.
Nur die Schnittführungen erfüllen alle Forderungen, die die fehlgebildeten Strukturen entlang der pathologischen Verwachsungslinien freilegen, übersichtlich darstellen, aus ihrer Zwangslage lösen und nach Mobilisierung und nach normaler Positionierung spannungsfrei miteinander vereinigen.
Dieses Morpho-Pphysio-Logische Therapieverfahren hat J. Koch und Mitarbeiter seit 1963 mittels transparenter und neutraler Auswertung mit dem Benchmarkingsystem von über 20.000 Operations- und Behandlungsergebnissen eigener und in anderen Kliniken voroperierter Patienten systematisch entwickelt.
Der 2. Vorsitzende des MPL-Therapie e. V., Dr. Klaus Berndsen, stellt seine Forschungsergebnisse über die Kopf-, Gesichts- und Halsmuskelfunktionen und ihrer Störungen durch LKGN-Fehlbildungen vor.
An den Vortrag schloss sich der von Frau Dr. Berndsen (Vorstandmitglied) über die sprachliche Habilitation nahtlos an.
Prof. Sader referiert über neueste Erkenntnisse kombinierter Fehlbildungen durch Genveränderungen, Mikrodeletion 22q11r sowie über die von ihm weiterentwickelte Segel-Rachenplastik.
Auf einem Zwischenstopp von Bolgona (Italien) nach Dallas (USA) erläuterte Prof. Hemprich Probleme bei der Eingliederung der Wolfgang-Rosenthal-Klinik 1994 in die Klinik für Mund-, Kiefer-Gesichtschirurgie der Universität Leipzig. Anschließend stellte er die Schwierigkeiten und Erfolge der Dysgnathie-Operationen vor.
Der frühere Mitarbeiter der Wolfgang-Rosenthal-Klinik und jetztige Direktor für Kieferorthopädie Leipzig, Prof. Dannhauer, erläutert die kieferorthopädische Behandlung auch unter Zurhilfenahme der jetzt in Leipzig eingegliederten Thallwitzer Modellsammlung.
Last but not least, setzt sich Dr. Veigel ausführlich mit dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe auseinander.
Die WRG-Mitglieder, sind Experten in eigener Betroffenheit oder aus Interesse an ihren Zielen. Wir erkennen, dass die für unsere Belange zuständige medizinische Fachwelt
- noch immer viel zu wenig Lust auf schnelle Vereinheitlichung der Nomenklatur für Befund, Diagnose und Therapie hat,
- noch immer viel zu wenig fremdinstitutionäre Kontrolle über ihr fachliches Tun und Treiben hat oder zulässt,
- zu wenig bereit ist, sich in Meisterkursen weiterschulen zu lassen und evtl. dazu zu lernen,
- teilweise aus Eitelkeit heraus Angst vor Umstellung ihres Behandlungskonzeptes hat,
- noch immer an einigen Behandlungsstätten die WRG vordergründig begrüßt, sie aber eher außen vor halten möchte,
- einigenorts trotz Mangel an jährlicher Operationsfrequenz nicht die Konsequenz ziehen möchte, den Sektor Spaltchirurgie abzugeben,
- das bio-psychosoziale Modell der WHO, das den Feststellungen von Rosenthal aus dem Jahr 1935 entspricht und auf embryonalen Studien basiert, umzusetzen (auf der 2. Seite des Flyers abgedruckt)
- lieber noch manchmal das Tun der anderen Klinik schlecht redet, statt selbstkritisch an der eigenen Qualitätsverbesserung zu arbeiten.
Sicher können Sie mich für diese Aufzählung kritisieren, aber ich weiß, wovon ich rede.
Zusammenfassend könnte man hier sagen: Die für uns unerklärliche Diskrepanz der Behandlungskonzepte und das viel zu zähe Sich-Aufeinander-Zubewegen der Therapeuten ist in höchstem Maße ärgerlich, eine Dauer-Krise, von der wir wissen, dass sie schneller überwindbar wäre.
Schirmherr und Vorstand können mit dem Verlauf des ersten Tages zufrieden sein.
v.l.: Dr. Erhard Thiele, Schriftführer; Prof. Jochen Prein, Schirmherr; Dr. Sabine Berndsen, Beisitzerin; Prof. Josef Koch, 1. Vorsitzender; Dr. Klaus Berndsen, 2. Vorsitzender
Das abendliche, gesellige Beisammensein im KulturGut beginnt mit einer Ansprache des evangelischen Gemeindepfarrers Carlitz, gefolgt von dem Thallwitzer-Kammerorchester.
Varbinformationen zum Symposium weiterhin verfügbar
Auch nach dem Symposium können Sie die Vorabinformationen und das Tagungsprogramm nachlesen.